Hartchromveredlung – Software-Potenziale ausschöpfen

Viele Arbeitsschritte in der Hartchromveredlung sowie in der Arbeitsvorbereitung sind sehr zeitintensiv. Ein ERP-System kann dabei helfen, diese Prozesse zu automatisieren und zu beschleunigen. Ob Toleranzgrenzen berechnen oder Preisfindung – die Automatisierung spart Zeit.

Die Hartchromveredlung beinhaltet viele zeitintensive Arbeitsschritte und steht aufgrund der Debatte um den Einsatz von Chromsäure immer wieder im Fokus. Deshalb werden stets innovative Ideen gesucht, diesen Prozess effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Eine Möglichkeit ist es, das Problem softwareseitig zu betrachten – mit einem ERP-System (Enterprise Resource Planning).

Allgemein steuern, planen und optimieren ERP-Systeme die Prozesse eines Unternehmens. Um die Effizienz in der Hartchromveredlung zu steigern, kann ein ERP-System Arbeitsschritte automatisieren und durch intelligente Vernetzung Wissen aus verschiedenen Unternehmensbereichen zusammenführen. Das beschleunigt Prozesse und führt zu einem schonenderen Umgang mit Ressourcen. Wie der Einsatz eines ERP-Systems aussehen kann, wird nachfolgend anhand der einzelnen Arbeitsschritte dargestellt.

Automatisierung von Berechnungen

Bereits in der Arbeitsvorbereitung gibt es Potenzial für eine Automatisierung. Für die Produktion müssen verschiedene Werte berechnet werden. Die Rechnungen sind dabei nicht komplex, aber beanspruchen viel Zeit. Deshalb ist der erste Ansatz, diese Rechnungen zu automatisieren. Dadurch werden Mitarbeiter entlastet. Gleichzeitig sollen sie aber die Möglichkeit haben, die Eingaben anzupassen, wenn es Abweichungen gibt oder Berechnungen nicht mit betriebsinternen Erfahrungswerten übereinstimmen. Dieses Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine ermöglicht immer die Kontrolle durch Mitarbeiter bei gleichzeitiger Beschleunigung des gesamten Prozesses. Den Anfang macht dabei die Flächenberechnung. Beispielsweise kann für Walzen, Kolbenstangen oder Zylinder mit Angabe von Länge und Durchmesser die zu beschichtende Fläche errechnet werden. Darauf folgt die Berechnung von Toleranzgrenzen.

Toleranzgrenzen und Passung

Damit hartverchromte Teile wie Zylinder oder Kolbenstangen später exakte Passungen haben, gibt es für die Produktion Toleranzen und Toleranzgrenzen. Um diese Grenzen für ein Werkstück zu berechnen, sind zuerst einige Angaben notwendig: Durchmesser des Werkstücks, gewünschte Schichtdicke(n) und das sogenannte Toleranzkurzzeichen. Toleranzkurzzeichen sind zum Beispiel „f7“ oder „h6“. Sie bestehen immer aus ein bis zwei Buchstaben und einer Zahl. Die Buchstaben beschreiben die Lage des Toleranzfeldes in Bezug auf das geplante Nennmaß. Die Zahlen geben den Toleranzgrad an, der die Größe des Toleranzfeldes bestimmt. Dabei gilt: höhere Zahl, größeres Feld.

Mit diesen Angaben lassen sich die Toleranzgrenzen berechnen. Da es Abweichungen in beide Richtungen geben kann, werden jeweils eine untere und eine obere Toleranzgrenze angegeben (UTG/OTG).

Oft gibt es Vorarbeiten – zum Beispiel Zwischenschichten wie Nickel –, die ebenfalls für die Passung berücksichtigt werden müssen. In diesem Fall rechnet das ERP-System die Toleranzen für jeden Arbeitsschritt zurück, bis hin zu den Toleranzgrenzen beim Rohmaß. Das heißt für jeden Schritt werden dieselben Berechnungen und Angaben erneut benötigt.

Zur Steigerung der Effizienz in der Hartchromveredlung kann ein ERP-System Arbeitsschritte automatisieren und durch Vernetzung Wissen aus verschiedenen Unternehmensbereichen zusammenführen.

Mechanische Bearbeitungszeiten

Mechanische Vorarbeiten wie Schleifen, Polieren oder Finishen können in der Regel nicht über Formeln berechnet werden. Auch hier spielen Erfahrungswerte wieder eine Rolle.

In vielen Unternehmen existieren Tabellen mit diesen Erfahrungswerten in Abhängigkeit von Länge und Durchmesser von Werkstücken. Die Tabellen können im ERP-System hinterlegt werden und als Grundlage für die Berechnung der Bearbeitungszeit genutzt werden. Langes Suchen wird vermieden. Stattdessen müssen nur Länge und Durchmesser angegeben werden.

Badstrom berechnen

Bevor Artikel in Prozessbädern verchromt werden können, muss der entsprechende Badstrom eingestellt werden. Dieser ist abhängig von mehreren Faktoren wie Stromdichte, Behängung der Warenträger und Prozessdauer. Außerdem darf die maximale Gleichrichterleistung nicht überschritten werden. Tritt dieser Fall ein, wäre eine Beschichtung nicht wie geplant möglich.

Um dies zu verhindern, kann ein ERP-System bereits nach Angabe aller Werte melden, ob es zu einer Überschreitung der maximalen Gleichrichterleistung kommt. Dann können Mitarbeiter mit der Anpassung einzelner Faktoren reagieren, um die benötigte Leistung zu senken. Beispielsweise durch Senkung der Stromdichte und Erhöhung der Prozessdauer oder durch den Einsatz von weniger Artikeln pro Bad. Auch hier gilt: Der berechnete Badstrom kann durch eine manuelle Eingabe überschrieben werden.

Verschleppung reduzieren

Bis zum fertigen Produkt durchläuft ein Werkstück normalerweise mehrere Bäder. Beim Übergang von einem Bad zum nächsten wird Elektrolyt mitgeschleppt, der an Teilen oder Gestellen hängen bleibt. Die Verschleppung ist eine große Herausforderung für die Hartchromveredlung. Denn die Verschleppung trägt erheblich zu Konzentrationsveränderungen in den Prozessbädern bei. Dadurch müssen Bädern wieder mehr Chemikalien hinzugefügt werden, um weiterhin funktionsfähig zu bleiben. Verschleppte Ressourcen gelangen von Bad zu Bad schließlich in die Abwasseranlage und bleiben ungenutzt. Die Berechnung der Verschleppung im ERP-System erfolgt über die Einteilung in Verschleppungsklassen. Jedem Artikel wird je nach seiner Oberflächenbeschaffenheit eine dieser Klassen (gering, mittel, hoch) zugeordnet. Gemeinsam mit der Fläche des Artikels ergibt sich daraus die Verschleppung. Aufgrund dieser Berechnungsweise kann die Verschleppung pro Anlage oder sogar pro Artikel angegeben werden.

Die Verschleppung zu berechnen bietet mehrere Vorteile: Die REACh-Verordnung der Europäischen Union fordert von Unternehmen Transparenz beim Einsatz gefährlicher Chemikalien, um diese besser überwachen zu können. Ein Überblick über die Verschleppung hilft dabei, die Forderungen von REACh besser einzuhalten. Außerdem kann die Effizienz in der Produktion gesteigert werden. So kann beispielsweise der Konzentrationsverlauf in einzelnen Bädern überwacht und optimiert werden. Aber auch Maßnahmen wie die Verlängerung von Abtropfzeiten sind mögliche Faktoren, die Verschleppung reduzieren können.

Preisfindung vereinfachen

Bei der Kalkulation eines Artikelpreises wird immer eine optimale Losgröße für die Produktion zugrunde gelegt. Allerdings kann es vorkommen, dass eine Anlieferung nicht die optimale Losgröße beinhaltet. In diesem Fall müssen nicht komplett bestückte Warenträger in die Anlagen gefahren werden – es kommt zu einer Unterdeckung. Ein ERP-System kann diese Kosten automatisiert in den Gesamtpreis einbeziehen. Dabei wird für alle Warenträger mit optimaler Losgröße der Normalpreis kalkuliert. Nur für den letzten Warenträger, mit nicht optimaler Losgröße, wird der Aufpreis für die fehlenden Artikel berechnet.

Beschleunigung und gesteigerte Ressourceneffizienz

Viele Arbeitsschritte in der Hartchromveredlung profitieren von der softwareseitigen Unterstützung durch ein ERP-System. Die Automatisierung von Rechnungen beschleunigt mühsame Prozesse und entlastet damit Mitarbeiter. Zentral ist dabei, dass Mitarbeiter trotzdem stets die Kontrolle behalten und in letzter Instanz Entscheidungen treffen.

Um den Einsatz von Chemikalien wie Chromsäure transparenter zu machen, wird die Verschleppung überwacht. Daraus resultiert gleichzeitig eine Steigerung der Ressourceneffizienz durch Optimierungsmaßnahmen.

Veröffentlicht in JOT 05/2019